Mumbai: Film- trifft auf Überlebenskunst

Mumbai gilt als eine der größten Glitzermetropolen überhaupt, Stars und Sternchen funkeln und werfen ihr Licht auf die schäbigen Fassaden.

Früher hieß die Hafenstadt noch Bombay und ist die Hauptstadt von dem Bundesstaat Maharashtra in Indien. Sie wurde auf der Insel Salsette errichtet und erfreut sich somit schon natürlicher Popularität.
Derzeit macht diese Metropole aber eine besonders knifflige Selbstfindungsphase durch, die innere Zerrissenheit ist körperlich greifbar, das wütende Flirren zieht sich durch jede Seitenstraße, ein geschändetes Wort bahnt sich endlich auch hier seinen Weg: Die Emanzipation. Früher trauten die Frauen sich ohne ihren Mann nicht vor die Tür, heute lümmeln die Mädels freizügig in Jeans kaffeeschlürfend in modernen Cafés und fordern ihre berechtigte Selbstbestimmtheit ein. Die Männer fühlen sich überfahren und über den Haufen gerannt: Vergewaltigungen, nächtliche Überfälle und sexueller Missbrauch häufen sich immer mehr, während die Politik hilf- und tatenlos zusieht.

Puh, da fange ich meinen Artikel heute aber ganz schön provokant an, nicht wahr? Doch provokant ist der Takt der Stadt. Mehr als die Hälfte der Bewohner ,,wohnen“ in sogenannten Slums, wo es keine Kanalisation gibt und auch keinen Wasserhahn, den man aufdrehen kann, um seinen Durst zu löschen. Daher ist betteln auch ein anerkannter Beruf und um es noch kurioser werden zu lassen: So manch Mumbaier hat es mit diesem Job schon zu manchen Wohlstand gebracht. Menschenhandel ist ein großes Wort, welches von der Mafia geschickt gedealt wird: Kinder und Frauen werden entführt und gezwungen, auf der Straße für die Organisation zu betteln.

Tiere dürfen nicht gefüttert werden, Hunde gelten als Konkurrenten, was das Essen betrifft. Es setzt eine Geldstrafe, wenn Sie Ihr Herz von einem Hundeblick erweichen lassen – doch trotzdem wird Tierliebe hier ganz groß geschrieben, ich verweise nur einmal auf die heilige Kuh. Doch auch ihr knurrender Magen darf nicht mehr erhört werden.

Und als krasser Gegenspieler fungiert Bollywood, denn die größte Filmindustrie produziert die ganz großen Liebesfilme, gelebter Kitsch in Form von schmachtenden Blicken, tieftraurigen Gesängen und schrillen Farben. Bollywood ist dabei übrigens eine Mischung aus ,,Bombay“ und ,,Hollywood“ und als eine sarkastische Spitze zu verstehen, als Anspielung auf den kommerziellen Touch dieser Hindi-Filme. Natürlich empfindet die Industrie diesen Spitznamen als persönliche Beleidigung.

Und jedes Jahr wieder: Der Regentanz. Juni und Juli sind die feuchten Monate, der Monsun bringt den Dauerregen jedes Jahr pünktlich. Und jedes Jahr wieder plustert die Politik seinen Hahnenkamm auf mit großspurigen Versprechungen und trotzdem wird die Stadt jährlich regelrecht überflutet, man watet durch knietiefes Wasser zu seiner hoffentlich trockenen Wohnung, nächtelang hocken die Menschen in Staus fest und die Reperaturen, die danach anstehen, muss ich wohl nicht erwähnen.

So gesehen wandelt die Stadt am kulturellen Abgrund – auf der einen Seite hungern diese Menschen tagtäglich, Bettler machen Karriere – und auf der anderen Seite der Schein einer glitzernden Weltmetropole, dessen Filmindustrie die beliebtesten Liebesfilme überhaupt in den Schlund unserer kommerziellen, verklärten Welt werfen. Doch das dort propagierte Indien zeichnet keinesfalls ein realistisches Bild. Mumbai ist nicht romantisch, Mumbai ist wütend.

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