Umstrittene Klausel: Ryanair will Entschädigungen erschweren

Berlin – Als «schwarzes Schaf» bezeichnet das Fluggastrechte-Portal Flightright den Billigflieger Ryanair. Der Vorwurf: Fast nie kommt die irische Airline berechtigten Forderungen nach Entschädigung für Flugausfälle und deutliche Verspätungen nach.

Portale wie Flightright, EU-Claim, Fairplane und Refund.me haben daraus ein Geschäft gemacht – sie klagen anstelle des Passagiers gegen die Airline. Einen Teil der Entschädigung kassieren sie als Provision. Doch diese Praxis will Ryanair offenbar unmöglich machen.

Die Airline hat seit einiger Zeit eine umstrittene Klausel in ihren AGB stehen: In Artikel 15.4 heißt es, dass die Abtretung von Ausgleichs-, Schadenersatz- und Rückerstattungsansprüchen an Dritte ausgeschlossen ist. Fluggäste, die von Ryanair eine Entschädigung fordern, dürfen sich demnach gar nicht an Fluggastrechte-Portale wenden. Die Frage ist nur: Ist so eine Klausel überhaupt rechtens?

Danach sieht es nicht aus. Deutsche Gerichte haben die Klausel bereits für unwirksam erklärt, etwa das Amtsgericht Hannover (Az.: 531 C 10491/11). Was Fluggästen wann zusteht, ist in der EU-Fluggastrechteverordnung festgelegt. In Artikel 15 heißt es dort: «Die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen gemäß dieser Verordnung dürfen – insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag – nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.» Ein Abtretungsverbot sei somit unzulässig, erklärt der Reiserechtler Prof. Ernst Führich aus Kempten. «Und auch nach den deutschen AGB-Kontrollvorschriften ist die Klausel nicht zulässig, weil sie einen Vertragspartner unangemessen benachteiligt.»

Warum dann die Klausel? Flightright erklärt, Fluggastrechte-Portale seien Ryanair «ein Dorn im Auge». Sie kosteten die Airline eine Menge Geld, weil sie berechtigte Ansprüche von Passagieren wenn nötig auch gerichtlich durchsetzten. Auf kurzen Flügen mit einer Distanz bis zu 1500 Kilometern stehen einem Passagier immerhin 250 Euro zu, auf EU-Flügen von mehr als 1500 Kilometern Länge 400 Euro.

Die wenigsten Kunden lassen es jedoch auf eine Klage ankommen – sie fürchten hohe Kosten. Bei den Portalen zahlt der Fluggast nichts außer der teils happigen Provision. Ein Abschlag, den viele in Kauf nehmen. Und für Ryanair ein Problem. Führich hält die umstrittene neue Klausel deshalb für ein «durchsichtiges Ablenkungsmanöver», um Fluggäste von der Durchsetzung ihrer Rechte abzuhalten.

Aus Sicht von Ryanair ist alles kein Problem. Ob die Airline die Klausel explizit für zulässig hält, wollte sie auf Anfrage nicht beantworten. Man wolle aber sicherstellen, dass Kunden 100 Prozent ihrer Entschädigung erhalten, ohne Abzug übermäßiger Kosten. «Da Ryanair-Kunden diese Kompensation ohne zusätzliche Kosten direkt bei Ryanair geltend machen können, stellen diese „Servicegesellschaften“ keinerlei Service da», heißt es zu den Fluggastrechte-Portalen.

Diese Argumentation ist aus Sicht der Kritiker besonders perfide: Ryanair kommt berechtigten Forderungen fast nie nach – das treffe auf 98 Prozent aller Fälle zu, so Flightright. Gleichzeitig erklärt die Airline, man könne sich ja jederzeit direkt an Ryanair wenden. Der betroffene Passagier habe im Alleingang fast keine Chance, seine Entschädigung zu erhalten, stellt Flightright dazu fest.

Natürlich, davon profitiert das Portal. Doch dass viele Airlines – nicht nur Ryanair – die Kunden massenhaft mit Ausreden abspeisen, daran besteht unter Verbraucherschützern kein Zweifel. Oft verweisen die Airlines auf sogenannte außergewöhnliche Umstände: Gewitter, technische Probleme, eine Flugzeug-Enteisung. Doch deutsche Gerichte bestätigen immer wieder: Dies sind normale betriebliche Umstände, sie befreien eine Airline nicht von der Zahlungspflicht.

Prof. Führich zufolge dient die zweifelhafte Ryanair-Klausel der Abschreckung der Kunden, nach dem Motto: Wenn die Airline eine Abtretung in den AGB ausschließt, dann muss das wohl so sein. «Ryanair will dem Geschäftsmodell der Portale die Grundlage entziehen», sagt der Jurist. Der Erfolg ist fraglich. «Verbraucher sollten sich von der Klausel nicht verunsichern lassen.»


(dpa/tmn)

(dpa)