«Unser kleines Versailles» – Gärten in der Normandie

Bayeux – Bei Gärten in der Normandie denken viele an das grüne Refugium des Malers Claude Monet in Giverny. Doch neben diesem weltberühmten Künstlergarten gibt es in der Region rund 120 Gärten unterschiedlicher Ausprägungen, vom französischen Barockgarten bis zum englischen Landschaftspark.

Château de Brécy

«Elektrische Leitungen in Sichtweite habe ich in die Erde verlegen lassen», sagt Didier Wirth, der Eigentümer von
Château de Brécy im Departement Calvados. Ungetrübt soll der Blick sein in dem streng symmetrischen Schlossgarten aus dem 17. Jahrhundert.

Mehrere Gärtner schneiden die Gehölze akkurat in Kugel-, Kegel- und Glockenform. Aufwändig ist auch die Pflege des großen Parterres aus Buchsbaum, das wie Stickereien aus Pflanzen aussieht. Wer diese hohe Gartenkunst einmal weiterführen wird, ist unklar. «Meine Kinder interessieren sich nicht für den Garten», sagt Wirth, 77, Präsident des französischen Nationalkomitees für Parks und Gärten.

Intérieur à Ciel ouvert

Ein Kontrastprogramm ist der zeitgenössische Garten
Intérieur à Ciel ouvert. Auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie südlich von Caen haben Benoît Delomez und seine Frau Dominique ein dicht bewachsenes Pflanzenparadies geschaffen und mit Kunstwerken versehen. Der Bildhauer musste 50 Lastkraftwagen Erde anliefern lassen. «Inzwischen haben wir allein 135 Sorten Farne und 30 Sorten Stechpalmen», sagt Delomez. Eine Rambler-Rose schlängelt sich durch gigantische Bambusse. Überall fließt Wasser. Holzwege führen über verschiedene Ebenen zu einem transparenten Glaskubus.

Jardin Retiré

«Ich mache keine Reisen mehr», erzählt Annie Blanchais. «Meine Welt ist mein
Jardin Retiré, mein zurückgezogener Garten.» Die blonde Normannin mit dem freundlichen Gesicht und der Erde unter den Fingernägeln zupft und schnippelt unentwegt, während sie durch ihr raffiniertes Dickicht führt. Einzelne Garteninseln hat sie wie romantische Bühnenbilder inszeniert. Die Tanzlehrerin legte um ihr Haus in Bagnoles-de-l’Orne einen 2500 Quadratmeter großen Schattengarten mit Bäumen, Sträuchern, Hortensien und 80 verschiedenen Sorten Waldreben an. Eine ist nach der Tänzerin Josephine Baker benannt. Sie blüht in Rosa.

Die Gärtnerin initiierte in ihrer Stadt das
Fête des Plantes. Zu diesem Gartenfest blüht der Kurort auf. Gartenbegeisterte flanieren zwischen Blumentöpfen und Gartenkunst im Park des Rathauses. Im Schatten seltener Bäume trinken sie einen Cidre oder verspeisen eine Tarte Tatin. Was wäre die
Normandie ohne ihre Apfelbäume?

Jardin de la Ferme Ornée

Jean-Pierre Morby, 63, ist zwar kein Apfelbauer, zählt aber trotzdem 120 verschiedene Apfelsorten in seinem
Jardin de la Ferme Ornée in Carrouges. Das Gartenformat der Zierfarm stammt aus dem England des 18. Jahrhunderts. Schönes sollte mit dem Nützlichen verbunden werden.

Gemeinsam mit seiner Frau Cecile hat Morby auf einem Acker einen 15 Hektar großen Garten bepflanzt – sieben Gartenräume voller Gehölze und Stauden. Madame kümmert sich um die Farben, Monsieur um die Struktur. Er liebt Bäume, vor allem Magnolien, 135 Sorten hegt er.

Zu einer Tour durch die Gärten der Normandie gehört auch der Besuch adliger Besitzungen. Wie der Garten von
Schloss Bizy. «Das ist unser kleines normannisches Versailles», sagt Nicole Dutertre. Die Französin führt durch die herrschaftlichen Salons. Alles umweht die Atmosphäre einer längst vergangenen Epoche. Im 80 Hektar großen Park rinnt das Wasser über Stufen. Vereinzelt zieren märchenhafte Tierfiguren die Becken. Vieles in diesem Garten wurde während der Französischen Revolution zerstört.

Im berühmtesten Garten der Normandie von
Claude Monet tummeln sich allzu viele Besucher aus aller Welt. Nur der Gartentourist, der früh genug dran ist, kann sich vom Zauber dieses impressionistischen Refugiums ungestört betören lassen.

Gärten in der Normandie

Anreise: Am besten mit dem Flugzeug nach Paris und von dort weiter mit einem Mietwagen in die Normandie. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind viele Gärten nicht oder nur mühsam zu erreichen.

Gärten: Die meisten Gärten sind von Frühjahr bis Herbst geöffnet und kosten Eintritt. Für ihren Besuch sollte man sich zuvor genau nach den Öffnungszeiten erkundigen. Häufig sind Gartenführungen möglich, zumeist auf Französisch, manchmal auch auf Englisch. Während des alljährlichen «Rendez-vous aux jardins» öffnen landesweit viele private Gärten ihre Pforten. Das Gartenfest in Bagnoles-de-l’Orne findet wieder am 1. und 2. Juni 2019 statt.

Informationen: Atout France – Französische Zentrale für Tourismus, Postfach 10 01 28, 60001 Frankfurt, E-Mail: info.de@france.fr.


(dpa/tmn)

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