Oberhof – Die Wintersportorte in Deutschland jubeln jede Saison überschwänglich über den ersten richtigen Schnee. Das zeigt, wie unsicher die Lage mittlerweile ist: Auf das schöne Weiß ist kein Verlass mehr.
Gerade Skiregionen in Mittelgebirgen müssen sich etwas einfallen lassen. Denn nicht immer hat zum Beispiel Oberhof in Thüringen so viel Glück wie 2017, als in der zweiten Januarwoche Schneehöhen von bis zu 23 Zentimeter gemessen wurden und alle Lifte im Betrieb waren. Mit
Skisporthalle und Bobbahn will man auch bei ungünstigem Wetter den Winterurlaubern etwas bieten. Doch wie genau sieht das aus? Ein Erfahrungsbericht aus einer schneearmen Woche.
Draußen nasskalter Nieselregen, beim Blick aus dem Fenster schmelzen die Schneeträume. Sport im Freien? Fällt heute aus. Auf das Skifahren muss trotzdem keiner verzichten, denn es gibt die DKB-Skisport-Halle. In ihr können Langläufer ganzjährig auf die Bretter steigen. 2009 wurde Deutschlands erste Skilanglauf- und Biathlonhalle eröffnet.
Wintersport hat Tradition. Oberhof, auf 820 Metern Höhe im Thüringer Wald gelegen, blickt auf eine 100-jährige Skisport-Geschichte zurück. Rund 400 Kilometer gespurte Loipen warten in den Wäldern rund um den Rennsteig. Nicht umsonst gilt Oberhof als Langlaufparadies.
Das Konzept der Skihalle ist simpel: Freizeitsportler und Touristen sollen hier auf Kunstschnee 365 Tage im Jahr Skifahren können. So hat die Gemeinde ihre Antwort auf den deutschen «April-Winter» gefunden. «Man muss sich unabhängig machen», sagt Carsten Blank, Geschäftsführer der Oberhof-Sportstätten.
Die beste Aussicht auf das Treiben in der Skihalle liefert der Besucherbalkon. Die Luft ist schneidend kalt, der Atem verwandelt sich in weiße Wölkchen. Von der hohen Decke hallen die Geräusche wieder. Auf fast zwei Kilometern Länge bietet die 10 000 Quadratmeter große Halle gespurte Loipen und Skatingstrecken. Steigungen und Abfahrten von bis zu zwölf Prozent und eine konstante Temperatur von minus vier Grad sollen optimale Trainingsbedingungen sichern.
Uwe Kittner und Niels Diedrich aus Berlin schnallen gerade an. Seit zwölf Jahren kommen die Freunde nach Oberhof. Weil der Schnee draußen gerade nicht reicht, haben die passionierten Langläufer zum ersten Mal ein Ticket für die Halle. «Es ist wirklich eine gute Alternative», findet Kittner. «Das hätte ich nicht erwartet.» Vor allem die Kondition lasse sich hier bestens trainieren – und nach dem Training ein Blick auf die Weltelite des Wintersports werfen.
Neben den professionellen Langläufern haben auch die Biathleten einen Stützpunkt in Oberhof. Ein Schießstand ist in einem separaten Anbau der Skihalle untergebracht. Wer die Verbindung zwischen Ausdauer und Präzision selbst erleben will, bucht ein Biathlon-Paket: Teilnehmer lernen alle wichtigen Grundlagen auf Langlaufskiern und am Original-Gewehr. «Schießen für Jedermann» nennt sich das.
Oberhof bietet noch weitere Möglichkeiten zum Biathlon
.Vom Gasthof «Thüringer Hütte» oberhalb des Biathlon-Stadions geht es zur Schießhalle. Der erste Gedanke: Die treffe ich nie. Verschwindend klein wirken die weißen Scheiben in 50 Metern Entfernung. 11,5 Zentimeter beträgt ihr Durchmesser. Gerhard Köhler, ehemaliger Wettkampfleiter des Oberhofer Biathlon-Weltcups, weist die Neulinge ein. Er erklärt, wo das Gewehr liegen muss und wie es mit dem Treffen klappt: «Luft kurz anhalten, langsam den Abschusshebel ziehen und dann weiter atmen.» Der Einfachheit halber schießen heute alle im Liegen. Und tatsächlich: Es funktioniert. Laden, schießen, laden, schießen. Fünf Schüsse, fünf Treffer. Einzige Einschränkung: Auf die 11,5-Zentimeter-Trefferfläche wird im Wettkampf stehend geschossen.
Den Adrenalinspiegel hat dieser Ausflug eindeutig angekurbelt. Da passt der nächste Programmpunkt perfekt: ein Besuch auf der Oberhofer Rennschlitten- und Bobbahn. Hier trainieren die deutschen Bobfahrer, sie ist Austragungsort für Weltcups. Beim Ice-Rafting steigen besonders Mutige selbst hinein. Was für ein rasantes Gefühl: In einer Art Schlauchboot geht es die 1100 Meter lange Strecke hinab. Bis zu zehn Mutige quetschen sich gut behelmt hinein, rauschen gemeinsam durch die Eisrinne, ein Mitarbeiter hält den Kurs. Kaum vorstellbar, dass Spitzensportler hier fast doppelt so schnell hinunterschießen.
Kurve um Kurve nimmt das luftige Gefährt, immer wieder ruckelt es bedenklich, durch den Helm dringt das Kreischen und Quieken der Mitfahrer. Und der abschließende Kommentar: «saugeil». Der Betrieb auf der Bahn läuft bis 18 Grad Außentemperatur. Gemütlicher, aber auch wetterabhängig sind die Rodelstrecken. Auf der Snowtubing-Anlage an der Alten Golfwiese schleppt gerade Familie Roders aus Göttingen die großen Reifen zum Start. «Eigentlich wollten wir mit unseren eigenen Schlitten rodeln, aber das ging nicht», erzählt Petra Roders. Zumindest die Kinder macht auch wenig Schnee glücklich.
Für eine Schneeschuhwanderung reicht es zum Glück. Rund 20 Zentimeter Schnee liegen oberhalb des Ortes. «Im tief verschneiten Winterwald ist es natürlich schöner», sagt Wanderführer Paul Böttner. Aber auch anstrengender. Querfeldein führt er die kleine Gruppe durch den Wald, der leicht gefrorene Schnee knartscht, langsam wird es dunkel. An einer der Schutzhütten schenkt der junge Gästeführer Glühwein aus, dann zündet er für jeden eine Fackel an. Im Feuerschein wandern die Urlauber durch den schwarzen Wald zurück zum Ort.
Genauso romantisch, aber etwas entspannter, lässt sich die abendliche Stimmung bei einer Pferde-Schlittenfahrt genießen. Im Fall der Fälle schnallt der Kutscher einfach Reifen unter sein Gefährt. Bei jedem Wetter funktionieren auch ein Besuch im H20-Wellnessbad, eine Führung zu historischen und aktuellen Sportstätten oder Wanderungen auf dem Rennsteig. Und der Tourismusverband bleibt umtriebig: Im Februar 2016 eröffnete im Kurpark erstmals eine wetterunabhängige Eislaufbahn. Alternativen bieten: So lautet das Credo für die Wintersaison.
Dennoch geht nichts über echten Schnee. Am folgenden Morgen sind die Wege mit einer zarten weißen Schicht gepudert. Vom Parkplatz Grenzadler aus stapfen die Langläufer den vereisten Weg hoch in Richtung Loipe. Die ersten Freizeitsportler kommen bereits von ihrer Runde zurück, mit roten Wangen und Frostnasen. Zur Stärkung gibt es eine Rostbratwurst. Die schmeckt zum Glück bei jedem Wetter.
Oberhof im Thüringer Wald
Reiseziel: Oberhof liegt in der Mitte von Deutschland, etwa 65 Kilometer von Erfurt entfernt. Von allen deutschen Großstädten ist Oberhof mit dem Auto in rund vier Stunden erreichbar. Der Bahnhof liegt rund fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, es gibt einen regelmäßigen Bus-Linienverkehr.
Unterkünfte: Oberhof verfügt über 3500 Gästebetten in mehreren Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen. Ferienzimmer gibt es ab 30 Euro pro Nacht, DDR-Nostalgie im «Treff-Hotel Panorama», einem ehemaligen Ferienheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Tipp: Die Laufzeiten in der Skisporthalle variieren je nach Wetter. Am besten können Reisende sie auf der Webseite checken. Kontakt: Tambacher Straße 44, 98559 Oberhof. Es gibt Stunden-, Tages-, Familienticket, mit und ohne Verleih. www.oberhof-skisporthalle.de.
Informationen: Oberhof-Sportstätten GmbH, Crawinkler Straße 2, 98559 Oberhof, Tel.: 036842/26 90, E-Mail: information@oberhof.de
(dpa/tmn)