Kairo: wenn atmen Luxus ist

Wer in Kairo überleben will, braucht gute Lungenflügel und die Bereitschaft, dem Tode jederzeit ins Auge blicken zu müssen.

Nicht nur die Infrastruktur in Kairo ist desaströs – eigentlich ist auch der ganze Rest eine pulsierende, kreischende Zumutung. ,,Immerhin stammen wir von den Pharaonen ab“ – darauf fundiert das grenzenlose Selbstbewusstsein der Kairoaner, die hier jeden Tag um ihr Überleben kämpfen und dabei rauchend gelassen die Schultern zucken.

Kairo ist die Hauptstadt von Ägypten und die größte arabische Stadt, die im Tal des Nils liegt. Umgeben von Wüste, erscheint sie einem Touristen auf dem ersten Blick wie eine schillernde, glitzernde Oase – aber der Schein trügt. Tatsächlich ist sie ein baufälliges, wackeliges Gerüst, in der kein Tag ohne eingestürztes Gebäude vergeht. Eine immense Wohnungsnot herrscht hier vor – jedoch gibt es hunderttausende freie Wohnungen! Die Preise sind seit den 50ern eine fixe Angelegenheit, was auch mitunter für den großen Verfall verantwortlich ist. Und Neubauten werden von der Politik für Spottpreise verscherbelt, was den Unmut der Eigentümer erzeugt, die dann eben illegale, wahnsinnige Kautionen verlangen.

Aber neben Schutt und Asche kommt noch Dreck hinzu: schlechte Müllentsorgung, schlechte Abwassersysteme und eine große Luftverschmutzung geben den Menschen hier tagtäglich den Rest: Cholera, Darrhöe und Typhus sind neben den Atemwegs- und Hauterkrankungen keine Seltenheit. Atmen ist hier tatsächlich Luxus, denn die Luft legt sich wie ein dreckiger Teppich als Geschmacksverirrer auf deine Zunge und berust deine Lungenflügel.

Aber das kümmert den robusten Bewohner recht herzlich wenig, die übertriebene Selbsteinschätzung und das resolute Selbstwertgefühl der Menschen scheint unzerstörbar. So auch die Metro, die ihren klapprigen Waggons ,,modernste High-Technologien“ zusichern und damit Ventilatoren anstatt Klimaanlagen meinen. Und die Tunnel für diese klapprige Zumutung wurden im Übrigen von Frauen gegraben.
Aber auch Kinderarbeit ist hier kein Fremdwort.

Wer sich selber ein Bild machen könnte, der ist auf dem sogenannten Armenmarkt Suq al – Gum´a richtig, hier werden um Tiere, Textilien, Lebensmittel, Möbel und anderes wichtiges Zeug gefeilscht und gehandelt. Wer hier lebend ankommt, hat seine Kairo-Verträglichkeit eigentlich schon bewiesen, denn auf Kairos Straßen geht es ungehobelter zu, als in einem Boxring.

Auch die Verkörperung des Sonnengottes Ra-Harachte in Form der großen Phinx von Gizeh ändert nichts an dem Fatalismus der Einwohner, mit dem sie den Gegebenheiten zustimmen. ,,Das ist eben von Gott gewollt“ – zucken die beherzten Bewohner die Schultern.