Voodoo und Kolonialerbe in Togo

Lomé – «Ein herrlicher Tag. Heute früh war ich im Gottesdienst», sagt Cosme. Seine Augen leuchten. Die Messe hat ihm offensichtlich gutgetan. Ein sonniger Sonntagmorgen in Lomé, der Hauptstadt Togos, eine ehemalige deutsche Kolonie an der Westküste Afrikas.

Wie jede Woche drängen sich die Gläubigen in der Kathedrale Sacré Coeur. Ihre beschwingten Choräle schallen durch das neugotische Gotteshaus – und grenzenlose Entfesselung ist das höchste Gebot. Voodoo-Priester stampfen dumpfe Gesänge in den Boden. Cosme wird dabei sein und andächtig den Voodoo-Kult erklären.

Kokou schenkt Tapferkeit. Stärke. Furor im Kampf gegen feindliche Stämme. Kokou ist der allmächtige Kriegsgott der Ewe, die zusammen mit den Kabiyé zu den Hauptstämmen Togos zählen. Im Alltag hilft Kokou gegen Neider, Nebenbuhler und besonders gegen böse Geister. In Sanguéra, am Rande der Zweimillionen-Stadt Lomé, rufen die Dorfältesten den Gott heute mit einer Voodoo-Zeremonie an.

Voodoo-Zeremonie

Vor den Gästen schüttet ein betagter Priester aus einer Kalebasse einen stark riechenden, milchigen Trunk in die rotbraune Erde. Als das Gemisch aus Maismehl, Wasser und Palmschnaps versickert ist, dürfen die Fremden nähertreten. Schon ist ein junger Priester in Trance gefallen, wirbelt in seinem geweihten Strohrock rastlos umher, rennt hierhin, dorthin, immer wieder in eine heilige Hütte, um Kraft für seine spirituelle Sendung zu tanken.

Auf die schüchterne Frage, ob man die sakrale Zeremonie fotografieren dürfe, stimmen die Gläubigen freudig zu. Deutsche seien immer willkommen. Manche bedauern, dass sie 1914 gehen mussten. «Sonst würde es uns heute besser gehen», erklärt der Oberpriester.

Inzwischen sind viele Dorfbewohner auf den rituellen Platz unter den Kapokbäumen geströmt. Bunt gekleidete Frauen und Männer fallen rhythmisch tanzend ein. Dazwischen der Vortänzer, mit seinen rasenden Drehungen ein Sendbote des wütenden Gottes. Immer wieder macht er halt, ritzt sich mit Steinen blutig, reibt gelbe und rote Erde auf Kopf und Gesicht. Seine Augen sind glasig, in Trance, in der Welt des Kokou und der Ahnen, zu denen er jetzt Zugang haben soll. Auch Cosme, 60, ein gebildeter Togoer, der in Lomé Deutsch studierte, ist Voodoosi – gläubiger Anhänger des Kults.

Deutsche Kolonialarchitektur

Wenn Krankheit ein Fluch und Unglück eine Verwünschung bedeuten kann, wirkt Nüchternheit oft therapeutisch. Vielleicht erklärt dies, warum die Togoer noch heute den 1884 geschlossenen Schutzvertrag zwischen Generalkonsul Gustav Nachtigal und König Mlapa in Lomé mit einem Denkmal ehren. Moderne Geschichtsbücher hingegen berichten von einer Kolonialzeit voller Zwang und Unterdrückung.

Heute sind in dem schmalen Land an der Bucht von Benin viele deutsche Hilfsorganisationen aktiv, Besucher aus der Bundesrepublik werden mit besonderer Herzlichkeit empfangen. Die mehr und weniger gut erhaltene Kolonialarchitektur ist über das ganze Land verteilt. Davon ist die spektakulärste Ruine die kaiserliche Funkstation bei Atakpamé, 150 Kilometer nördlich von Lomé. Vor dem Einrücken der Franzosen 1914 hatte man die Anlage gesprengt. Übrig geblieben ist ein unwirkliches Areal technischer Skelette, ein surrealer Skulpturenpark.

Fruchtbare, grüne Landschaft

Weiter geht es auf der einzigen Überlandstraße Richtung Norden nach Kara. In Zentral, der mittleren von fünf Regionen, rauscht die fruchtbare, grüne Landschaft langsam vorbei. Alte Baobabs und Kapokstämme ragen wie vorzeitliche Totems in den weiten blauen Himmel. Auf den Feldern Bäuerinnen und Bauern. Mango und Papaya, Zitrone und Mandarine, Avocado und Ananas, Spinat und Rüben – keine tropische Frucht, kein Gemüse, das in Togo nicht wachsen würde.

Es ist früher Morgen in Kara, dem Land der Steinbauern, beim Stamm der Kabiyé. Cosme führt seine Gäste zu Kao, dem Schmied von Kétao, rund 400 Kilometer nördlich von Lomé. Kein Hammer, kein Amboss. Aus alten Autofelgen werden Hakus, Schaufeln für die Landwirtschaft. Während sich junge Männer in den Internetcafés das Märchen vom glitzernden Metropolenleben erzählen, schleppen ihre Mütter und Schwestern Wasser und Früchte in die kleinen Dorfhütten.

Fetischmarkt in Lomé

Zurück in Lomé. Am Rande der Stadt bauen Händler aus Benin, der Wiege des Voodoo, gerade ihre Stände für den Fetischmarkt auf. Voodoopriester kommen von weither, um hier geeignete Devotionalien zu finden. Für Europäer ist der Markt ein gern besuchtes Horrorkabinett.

Über den staubigen, heißen Platz weht ein süßlicher Verwesungsduft. Affenschädel, tote Singvögel, Fledermäuse und Schlangen stapeln sich zu einer schaurigen Auslage. Geier und ausgestopfte Leoparden sind wie Trophäen hineindrapiert. Wer sich hier umschaut, sollte Ideen von Arten- und Tierschutz im Hotel lassen. Doch die Händler nehmen alles sehr locker. Einer schenkt den Gästen einen «Telefonfetisch», ein witziges Minihölzchen mit Hörer und Gabel. «Vor der Abreise einen guten Wunsch in die kleine Öffnung flüstern, mit dem Holzstopfen verschließen – dann guten Flug», empfiehlt er.

Togo

Reiseziel: Togo ist ein kleiner Staat in Westafrika. Er liegt zwischen Ghana und Benin am Golf von Guinea.

Reisezeit: Am besten zwischen November und März. Das Klima ist ganzjährig tropisch heiß und feucht. Die regenreichsten Monate sind Juni und Oktober, der heißeste der März.

Anreise: Es gibt keine Direktflüge von Deutschland nach Lomé. Air France fliegt nonstop ab Paris, mit TAP geht es über Lissabon, mit Ethiopian Airlines von Frankfurt über Addis Abeba.

Formalitäten: Reisende müssen ein Visum beantragen, das geht auch recht kurzfristig. Zudem ist eine Gelbfieberimpfung Pflicht. Malariaprophylaxe wird empfohlen.

Veranstalter: Mehrere Spezialveranstalter haben Togo im Programm, oft in Verbindung mit Ghana und Benin. Individualreisenden werden Mietwagen plus Fahrer empfohlen. Öffentliche Sammeltaxis sind unfallträchtig.


(dpa/tmn)

(dpa)