Zukunftsmuseum Futurium eröffnet in Berlin

Berlin – In der Wahlkabine der Zukunft reicht ein Lächeln in die Kamera. Danach spuckt der Computer die bevorzugten Parteien aus. Das Verblüffende daran: Es stimmt. Was künstliche Intelligenz kann oder können soll, ist nur eine der vielen Fragen, um die es im Berliner Futurium geht.

Das nagelneue
Zukunftsmuseum nah am Hauptbahnhof, das aussieht wie eine riesige Virtual Reality Brille, eröffnet am Donnerstagabend (5. September). Es ist ein Showroom für Zukunftsentwürfe und ein Mitmach-Parcours für Neugierige – Eintritt frei.

Zukunft für jeden und eine wichtige Frage

Das Konzept dahinter ist knifflig. Wie lässt sich etwas ausstellen, das noch nicht existiert? «Die eine Zukunft gibt es nicht», betont Stefan Brandt, Direktor des Futuriums. Er sieht sein Haus als Plattform für mögliche Zukunftsentwürfe – ob es dann auch so komme, müsse offen bleiben. Dabei geht es nicht um reines Wünsch-dir-was. Das Futurium ist ein Haus der Wissenschaften und hat seine Bodenhaftung in der Gegenwart. Ausprobieren und mitreden aber soll hier jeder können – auch Kinder. Die Grundfrage prangt in riesigen Lettern an der dunklen vorspringenden Glasfassade an der Spree: Wie wollen wir leben?

Hinter dem Futurium stehen das Bundesforschungsministerium, die großen deutschen Forschungsgemeinschaften, die forschende Industrie und Stiftungen. Sie finanzieren das Haus gemeinsam. Für Deutschland ist die Idee eines Zukunftsmuseums neu, aber bald nicht mehr einzigartig – das nächste soll bereits 2020 als Außenstelle des Deutschen Museums in Nürnberg eröffnen.

Ein teurer Klotz

58 Millionen Euro hat das Berliner Futurium gekostet, das auch ein Beispiel für nachhaltiges Bauen sein möchte: mit Blockheizkraftwerk, geschlossenem Energiekonzept und Solarthermie samt Paraffinspeicher. Innen ist es Museum, Zukunftswerkstatt und Veranstaltungsort in einem – die Grenzen sind bewusst fließend, die Ausstellung wird sich immer wieder verändern.

Der Jahresetat für das Bespielen der bis zu 13 Meter hohen hallenartigen Räume liegt bei fast 19 Millionen Euro. Auf 30 Jahre ist das Konzept ausgelegt, in drei Jahren hofft Brandt auf 200 000 Besucher im Jahr. Ob das neue Haus zieht, ist die große Frage an seine eigene Zukunft. Bisher haben es Showrooms einzelner Forschungseinrichtungen nicht immer leicht.

Zwischen Optimismus und Skepsis

Auf dem Weg durch seine Etagen wirbelt das Futurium seine Besucher herum wie der weiße «Tornado», eine große Kunstinstallation, die auf dem Weg ins Obergeschoss von der Decke baumelt. Er stehe für die unglaubliche Beschleunigung der Welt in den vergangenen 200 Jahren, erläutert Ausstellungschefin Gabriele Zipf. «Es ist ein Paket aus guten und schlechten Dingen.» Bleibt die Frage, was die Zukunft aus diesem Erbe macht.

Dann geht es hinein in den Tunnel, der zum Themenbereich Technik führt. Hier prasseln offene Fragen auf den Besucher ein: Mit welchen Technologien wollen wir leben, was sollen Roboter können – und was besser nicht? Wie wollen wir arbeiten? «Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert. Wir sind nicht alle Zukunftsoptimisten», sagt Futuriums-Chef Brandt. Doch Ängste könnten ja auch produktiv machen.

Denkraum und Bastelkeller

Im «Denkraum Mensch» können Besucher ihr eigenes Verhalten hinterfragen: Wie halten sie es mit Klimaschutz und Konsum? Den moralischen Zeigefinger gibt es hier nicht – aber zum vertieften Nachdenken hängt ein große Liegeschaukel von der Decke. Im Bereich Natur präsentiert sich ein Mosaik erneuerbarer Energie wie bei einer Wahrsagerin – in Glaskugeln: Kann Energie in Zukunft vom Mond kommen?

Neugier ist die beste Voraussetzung für den Bastelkeller des Futuriums. Zukunftsforscher und Spieledesigner David Weigend hat hier im Labor, kurz Lab, einen Hightech-Spielplatz voller interaktiver Monitore und Plattformen entstehen lassen. In einer Ecke zischt, gurgelt und blinkt es, wenn Besucher unter Philipp Besleys Installation «Noosphere» stehen. Der kanadische Architekt spielt hier auf philosophischer und naturwissenschaftlicher Ebene mit der Frage, wie wir in Zukunft wohnen könnten.

Wo Ideen zum Himmel wachsen

Doch was soll ein filigranes, überlebensgroßes wolkenartigen Kunstwesen voller Sensoren dazu aussagen? «Es ist ein Beispiel für lebende Architektur», erläutert Stefanie Holzheu, Referentin für das Lab. «Sie reagiert auf jeden, der sich nähert.» Könnte es also sein, dass wir in Zukunft nach Hause kommen, unsere vier Wände uns den Puls fühlen und dann Entspannungsmusik abspielen oder einen Sandsack samt Boxhandschuhen aus der Deckenluke werfen? Fantasie macht sich zumindest gut im Futurium. Warum sollte die Zukunft des Wohnens nur aus Beton bestehen oder so steril aussehen wie bei Raumschiff Enterprise?

Es sind solche Gedankenspiele, zu denen das Museum in all seinen Bereichen einladen will. Doch wie funktioniert diese hellseherische Wahlkabine? «Wir haben die Porträts von allen Bundestagsabgeordneten eingescannt und angenommen, dass sie ihre eigene Partei wählen würden», erläutert Holzheu. Der Computer gleiche über seine Kamera die Gesichter der Besucher mit diesem einprogrammierten Wissen ab. Wie genau der Algorithmus seine Entscheidungen über Vorlieben bei Parteien trifft, verrät er allerdings nicht.


(dpa)

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